VERSCHWUNDEN

SEIT ÜBER 50 JAHREN IN NORDKOREA „VERSCHWUNDEN”

Hwang Won kam am 11. Dezember 1969 nach Nordkorea – an Bord eines entführten Flugzeugs. Seitdem
verweigern die nordkoreanischen Behörden dem ehemaligen Fernsehproduzenten die Rückkehr in seine
Heimat. Seine Familie stellte zahlreiche Anfragen zu seinem Verbleib und seinem Gesundheitszustand, eine
Antwort steht jedoch seit 50 Jahren aus.

Der Fernsehproduzent Hwang Won befand sich am 11. Dezember 1969 auf einem Flug von der südkoreanischen Stadt Gangneung in Richtung Seoul, als sein Flugzeug nach Nordkorea entführt wurde. Während 39 der verschleppten Passagiere im Februar 1970 nach Südkorea ausreisen durften, werden elf weitere, unter ihnen Hwang Won, weiterhin in Nordkorea festgehalten – seit fast 50 Jahren.
Nach dem Koreakrieg führten nordkoreanische Agent_innen illegale Operationen durch. Hwang Won ist einer von Hunderten, die in diesem Zusammenhang „verschwunden“ sind. Trotz der zahlreichen Nachfragen seines Sohnes Hwang In-cheol weigern sich die nordkoreanischen Behörden, seinen Aufenthaltsort zu bestätigen. Sie teilen der Familie nicht einmal mit, ob er noch lebt oder nicht. Allerdings geht Hwang In-cheol trotzdem davon aus, dass sein Vater noch am Leben ist: Eine Kontaktperson, die Geflüchtete aus Nordkorea unterstützt, hat ihm in den vergangenen Jahren immer wieder entsprechende Hinweise weitergeleitet.
Stimmen diese, ist Hwang Won inzwischen 82 Jahre alt. Der anstehende Besuch des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un in Seoul ist ein guter Anlass, das Verschwindenlassen von Hwang Won und den vielen anderen Betroffenen aus Südkorea zu thematisieren und auf ihre Freilassung zu drängen. Die Entführungen sind nicht nur eine Qual für die „Verschwundenen“ selbst, sondern auch für deren Angehörige.

Das Ehepaar Hwang

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Durch den Koreakrieg (1950-53) wurden zahlreiche Menschen vertrieben und viele Familien unfreiwillig getrennt. Seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1953 leben sie auf beiden Seiten der innerkoreanischen Grenze. Durch das Abkommen wurde der Krieg zwischen den beiden koreanischen Staaten nicht beendet, formal dauert er nach wie vor an. Nordkorea hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Taktiken wie die Entführung und das Verschwindenlassen südkoreanischer oder anderer Staatsbürger_innen angewendet. 2002 gab die Regierung zwar die Entführung von 13 japanischen Staatsbürger_innen zu, doch ließ sie nur fünf von ihnen nach Japan ausreisen.

Der junge Hwang Won.

 

Viele der in Nordkorea Festgehaltenen sind gut ausgebildet, dies gilt auch für Hwang Won. Nach Angaben einer Kontaktperson, die Geflüchtete aus Nordkorea unterstützt, soll er in den staatlichen Sendeanstalten Nordkoreas tätig gewesen sein. Ehemalige nach Nordkorea Entführte berichten, dass den dorthin Verschleppten nicht nur verweigert wird, das Land zu verlassen, sondern auch, sich innerhalb des Landes frei zu bewegen. Den meisten von ihnen droht Folter oder eine andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Sie werden stärker als andere staatlich überwacht.

Im Jahr 2000 veröffentlichte das südkoreanische Ministerium für Wiedervereinigung eine Liste mit 516 Personen, die seit dem Waffenstillstand von 1953 im Zuge mutmaßlicher Entführungen nach Nordkorea „verschwunden“ sind. Im gleichen Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, das eine klare Unterscheidung zwischen „Vertriebenen“ und „Entführten“ vorsieht. Die Regierung setzt dieses allerdings nur zögerlich um. So stehen Hwang In-cheol und sein Vater zwar auf der Liste der Familien, die durch die innerkoreanische Grenze getrennt wurden. Sie gelten als „Vertriebene“ und dürfen somit am Auswahlverfahren für die kurzen Familienzusammenführungen teilnehmen, die von den beiden koreanischen Regierungen gemeinsam organisiert werden. Doch weder die nord- noch die südkoreanische Regierung haben viel dafür getan, um die Situation von Hwang Won seit seiner Entführung zu klären.

11 weitere vermisste Personen der damaligen Flugzeugentführung.

 

Die Familienzusammenführungen finden nur selten statt, sie sind stark von der politischen Lage abhängig. Von den mehr als 60.000 Familien, die dafür in Frage kämen, werden pro Treffen nur etwa 100 ausgewählt. Aus dem Flugzeug, mit dem auch Hwang Won entführt worden war, hat nur eine Frau ihre Familie wiedergesehen. Die Chance, dass sich Hwang In-cheol auf einem dieser arrangierten Treffen Gewissheit über den Verbleib seines Vaters verschaffen kann, ist somit äußerst gering.

Interview mit Hwang Won’s Sohn

Die spektakuläre Flugzeugentführung

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UPDATE: Wir haben Post von der südkoreanischen Botschaft (Berlin) bezüglich HWANG WON und dessen Entführung nach Nordkorea bekommen.

“Das Suchen nach ihm betrachtet Südkorea als nationale Verantwortung. Bisher unternahm das Land folgendes:

  • Schon 2006 (beim 14. Familienzusammenführungstreffen) erkundigte sich Südkorea nach dem Verbleib des Entführten. Nordkorea antwortete, dass eine Feststellung darüber nicht möglich sei.
  • Den Familienangehörigen wurde im Jahr 2009 von Südkorea 27.000 Euro Entschädigung gezahlt und Hwang Won wurde als Entführungsopfer nach dem Koreakrieg anerkannt.
  • 2011 verweigerte Nordkorea die Annahme von Briefen von Familienmitgliedern Hwang Won’s, die mit Hilfe der südkoreanischen Regierung und das Rote Kreuz übergeben werden sollten.
  • Bereitstellung von 34.000 Euro (seit 2011) für Infomaterial (Videos, Broschüren) und die Möglichkeit für die Familienangehörigen vor dem UNO-Menschenrechtsrat auszusagen.
  • Im Jahr 2019 bisher 146.000 Euro zur Verfügung gestellt für Ausgaben im Rahmen des Gesetzes für „Entschädigung und Unterstützung von Entführungsopfern nach dem Koreakrieg.”

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8. April 2022